Sprachliche Verfälschungen aufdecken – so durchschauen Sie Missverständnisse und Manipulation
Sprachliche Verfälschungen aufdecken – so durchschauen Sie Missverständnisse und Manipulation
Das könnte Sie auch interessieren: Folge 162 aus dem Podcast „MENSCHEN ÜBERZEUGEN

Wenn zwei Menschen kommunizieren, gibt es eines häufig: Missverständnisse.

Ganz gleich, was Sie mir erzählen, ich werde es immer ein wenig anders verstehen, als Sie es meinten. Denn, obwohl wir beide in derselben Umwelt leben, nehmen wir sie unterschiedlich wahr, interpretieren sie anders und halten sie anders in Erinnerung. Dadurch haben auch Worte auf Sie eine andere Wirkung, als auf mich.

Wenn ich sage: „Peter hat ein E-Bike.“ Dann wissen Sie: Peter hat ein E-Bike. Dennoch haben Sie vermutlich ein anderes Bild von Peter vor Augen, als ich. In diesem Beispiel ist dieser Unterschied nicht weiter bedeutsam, weil die relevante Information eindeutig ist: Peter ist in Besitz eines E-Bikes. Wenn ich aber zum Beispiel sage: „Peter ist ganz schön träge.“ Dann können Sie vermutlich nicht ganz nachvollziehen, was ich meine. „Träge“ zu sein, kann vieles bedeuten. Was heißt „ganz schön“? Und wie begründet sich die Aussage überhaupt?

Hinweis: Um mehr darüber zu erfahren, warum Alltagskommkunikation so schwer ist, schauen Sie sich folgenden Video-Ausschnit des kompletten Online-Kurses „Rhetorik für Fortgeschrittene: Professionelle Kommunikation” an:

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Solche Unklarheiten sind keine Seltenheit: Die meisten Menschen drücken sich andauernd unklar aus. Sie lassen beim Sprechen wichtige Informationen weg oder verfälschen sie (wie genau, erkläre ich unten). Unbeabsichtigt schleichen sich so Missverständnisse in die alltägliche Kommunikation mit Partner, Kunde oder Kollege, die nicht selten zu Konflikten führen. Manchmal werden Aussagen sogar absichtlich verfälscht: Man will Sie täuschen oder manipulieren, indem man Informationen zurückhält oder verdreht und damit falsche Schlussfolgerungen Ihrerseits provoziert.

Ich sage zum Beispiel:

„Hast du schon gehört? Peter hat ein E-Bike. Er ist ganz schön träge, oder?”

Jetzt überlegen Sie, ob Peter träge ist. Ja, möglicherweise. Gleichzeitig verknüpfen Sie jetzt E-Bike-Fahrer mit Trägheit. Denn das war doch die Aussage, oder? Ich habe in Ihrem Kopf ein Bild von einem trägen E-Bike-Fahrer erschaffen. Mein Vorurteil ist zu Ihrem Vorurteil geworden. Das ist Manipulation.

Zum Glück gibt es Möglichkeiten, Unklarheiten zu durschauen und die wahre Aussage zu ergründen:

Das Metamodell der Sprache hilft uns. Es beschreibt das Phänomen der Verfälschung folgendermaßen: Sprachliche Botschaften haben eine Oberflächenstruktur – also das, was wortwörtlich gesagt wird – und Tiefenstruktur – die wahre Botschaft dahinter. Der Theorie nach beinhalten die meisten oberflächlichen Botschaften verfälschte Informationen.

Schritt 1 auf dem Weg zur Klarheit: Die Art der Verfälschung erkennen.

Es gibt folgende drei Arten der Verfälschung:

  1. Tilgung: Die gesagte Botschaft trägt nur einen Teil der eigentlichen Information. Klassisch wäre das eine unvollständige Aussage, wie: „Mir geht’s nicht so gut.“ (Wieso und gemessen woran?). Ebenso ein unspezifisches Verb, wie: „Ich fühle mich verarscht.“ (Was heißt das konkret?). Oder eine Nominalisierung: „Ich bin im Stress.“ (Was stresst Sie?)
  2. Generalisierung: Ein Einzelphänomen wird verallgemeinert. Beispielsweise: „Du hörst mir nie zu.“ (Wirklich nie?) oder “Immer kommst Du zu spät” (Wirklich immer?). Oft versteckt sich eine Generalisierung auch in einer Personalisierung – von einem einzelnen Ereignis oder einer bestimmten Verhaltensweise wird auf die Persönlichkeit eines Menschen geschlossen. Zum Beispiele: Einem Mitarbeiter passiert ein Missgeschick. Kollegen behaupten, der Mitarbeiter sei “ungeschickt” (generell?) oder einfach ein “Trottel”.
  3. Verzerrung: Die Aussage enthält falsche Schlüsse oder basiert auf falschen Annahmen. Klassisch ist das kausale Modellieren: „Heute ist echt ein Pech-Tag.“ (Was hat der Tag damit zu tun?). Ebenso das Gedankenlesen oder Hellsehen: „Er weiß doch, dass ich ihn liebe.“ (Woher weiß er das?)

Um die Verfälschung zu identifizieren, müssen Sie also zunächst aufmerksam zuhören. Fragen Sie sich dabei stets: Welche Information fehlt mir hier? Was wurde nicht gesagt? Was wird unbegründet angenommen?

Schritt 2 auf dem Weg zur Klarheit: Relevante Information erfragen

Nachdem Sie jetzt wissen, welche Information Ihnen vorenthalten wird, haben Sie die Möglichkeit, die Situation zu klären, indem Sie sich nach der relevanten Information erkundigen. Mit gezielten Fragen schaffen Sie Klarheit – nicht nur für sich selbst, sondern auch für den Gesprächspartner. Oftmals ist dieser sich nämlich gar nicht bewusst, dass er Informationen verfälscht.

Drei hilfreiche Fragetechniken:

1. Definitions-Fragen

Wie bereits dargestellt, verwenden viele Menschen mehrdeutige Begriffe und Beschreibungen in der Kommunikation. Beispielsweise: “Das Ergebnis ist grenzwertig” (Was bedeutet “grenzwertig”?) oder: “Dem sollten Sie mal auf den Grund gehen” (Was heißt “auf den Grund gehen”?). Um diese unklaren Beschreibungen zu enttarnen bietet es sich an, nach einer eindeutigen Definition zu fragen. 

Wenn Ihnen Ihre Führungskraft eine mehrdeutige Arbeitsanweisung gibt: “Machen Sie das bitte noch ein bisschen schöner”. Bitten Sie Ihre Führungskraft doch einfach: “Könnten Sie mir bitte noch genauer beschreiben, was Sie mit “schöner” meinen?”

Damit erhalten Sie konkrete Bewertungskriterien Ihrer Ergebnisse und ersparen Sie sich im Zweifel eine Menge unnötige Arbeit.

2. Skala-Fragen

Oft drücken sich Menschen auch unklar über Mengen oder Maßeinheiten aus. Beispielsweise: “Das Angebot gefällt mir schon recht gut” oder: “Das haben Sie aber beim letzten Mal besser gemacht”.

Um aus diesen Aussagen die nötige Information ziehen zu können, helfen sogenannte Skala-Fragen: “Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie überzeugt sind Sie jetzt von unserem Angebot?” oder: “Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie viel besser fanden Sie mein letztes Ergebnis? Und warum?”

3. Kontext-Fragen

Diese Fragetechnik bietet sich an, um Generalisierungen zu enttarnen. Wenn Sie mit Aussagen konfrontiert werden, wie “Sie sind einfach nicht authentisch genug”, kann es hilfreich sein, nach dem Kontext zu fragen: “Nennen Sie mir bitte eine Situation, in der ich nicht authentisch auf Sie gewirkt habe.”

Schritt 3 auf dem Weg zur Klarheit: Tiefenstruktur ergründen

Jetzt müssen Sie nur noch die Antwort auf Ihre Frage in ein kohärentes Ganzes einbeziehen. Was wollte Ihr Gesprächspartner tatsächlich sagen? Wie lautet die wahre Botschaft?

Wenn Sie in diesen drei Schritten vorgehen, verhindern Sie nicht nur Missverständnisse, sondern durchschauen auch viele Manipulationsversuche.

Mehr Tipps rund um das spannende Thema „sprachliche Manipulationen“ erhalten Sie im Artikel „Schwarze Rhetorik – jeder manipuliert”!

Autor: Johannes Stark

Dunkle Rhetorik | Argumentorik
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Über den Autor

Wladislaw Jachtchenko ist mehrfach ausgezeichneter Kommunikations-Experte, TOP-Speaker in Europa, mehrfacher SPIEGEL-Bestseller Autor und gefragter Business Coach.

Er hält Vorträge, trainiert und coacht seit 2007 Politiker, Führungskräfte und Mitarbeiter namhafter Unternehmen wie Allianz, BMW, Pro7, Westwing, 3M und viele andere.